«Nach dem Applaus ist leider nicht mehr viel passiert»

Jedes Jahr am 12. Mai findet der Internationale Tag der Pflege statt, über dessen Bedeutung sich Martina Schuler, Teamleiterin im Haus Franziskus für demenzerkrankte Menschen des Alterszentrums Acherhof Schwyz, im Interview äussert.

Martina Schuler ist Teamleiterin im Haus Franziskus für demenzerkrankte Menschen des Alterszentrums Acherhof Schwyz. «Aus Anlass oder als Folge des Internationalen Tags der Pflege geschieht kaum etwas. Das finde ich schade.»

Martina Schuler ist Teamleiterin im Haus Franziskus für demenzerkrankte Menschen des Alterszentrums Acherhof Schwyz. «Aus Anlass oder als Folge des Internationalen Tags der Pflege geschieht kaum etwas. Das finde ich schade.»

Was bedeutet Ihnen als Pflegende der 12. Mai?

Einerseits ist der Tag wertvoll, um wenigstens einmal im Jahr auf unseren wichtigen Beruf und den Menschen, die ihn mit ausserordentlichem Engagement und Herzblut ausüben, aufmerksam zu machen. Andererseits stimmt er mich auch traurig, weil man unsere Arbeit in weiten Teilen der Gesellschaft für selbstverständlich hält und der 12. Mai dadurch oft nur sehr wenig bewirkt.

Noch ist die Coronapandemie nicht vorbei. Wie ist die aktuelle Situation in Ihrem Tätigkeitsgebiet?

Wir testen nach wie vor auf Covid-19, verzeichnen aber deutlich weniger Fälle, die zudem meistens mild verlaufen. Handkehrum nehmen unter unseren Mitarbeitende Krankheitsfälle zu, die eine Folge langer Überlastung oder Unterdrückung aufgrund von Corona sind. Jede neue Krankheitsmeldung zerrt an den Nerven und kostet Energie, denn viele Mitarbeitenden können oder wollen nicht mehr kurzfristig einspringen und ihre eigene Erholungszeit opfern.

Wie hat sich die Pandemie auf Ihren Arbeitsalltag ausgewirkt?

Am Anfang war die Euphorie sowie Einsatz- und Lernbereitschaft gross. Der Teamgeist unter den Pflegenden wuchs stark. Mit der Zeit kamen aber Müdigkeit, Frust und Unsicherheit auf. Viele Kollegen/-innen haben sich mittlerweile anderen Berufen zugewandt, was den Fachkräftemangel beschleunigt hat. Sie werden wohl auch nicht mehr zurückkommen. All das macht mir persönlich Angst und ich hoffe, dass sich nicht noch mehr Leute vom Pflegeberuf abwenden.

Was braucht es, um die Pflegeberufe attraktiver zu machen?

Neben einem besseren Lohn müssen wir den Pflegemitarbeitenden auch vermehrt Sorge tragen, dass ihr beruflicher Einsatz nicht auf Kosten ihres eigenen Wohlergehens sowie ihrer eigenen Gesundheit und Zufriedenheit geht. Das sollte rasch passieren.

Auf dem Höhepunkt der Pandemie wurde den Pflegenden öffentlich applaudiert, und der Dank war enorm. Wie sieht es heute aus?

Damals haben wir uns selbst auch applaudiert, um uns Mut zu machen und um uns zu gegenseitig stärken. Leider ist danach in der Öffentlichkeit nicht mehr viel passiert. Der nüchterne Alltag kehrte schnell wieder ein. Immerhin ist auf politischer Ebene etwas gegangen: Am 28. November 2021 hat das Schweizervolk die Pflegeinitiative angenommen und damit eine wichtige Weiche gestellt. Nun wollen wir Pflegenden aber auch spüren, dass den Worten auch Taten folgen.
Direkte Unterstützung und Anerkennung erfahren wir täglich von unseren Bewohnern/-innen und den Angehörigen. Sie wissen und erleben, dass wir Pflegende unsere Aufgabe mit viel Leidenschaft und höchstem Einsatz erfüllen. Diese Wertschätzung ist immer wieder sehr schön und motivierend für uns.

Von Jürg Auf der Maur, erschienen im Bote der Urschweiz, 12.5.2022
   


Fokus auf die Pflegenden legen

Der Internationale Tag der Pflege wird seit 1953 jährlich am 12. Mai begangen. Er findet am Geburtstag der britischen Krankenpflegerin Florence Nightingale (1820–1910) statt, die als Pionierin der modernen Krankenpflege gilt. Der Tag soll die Arbeit von Pflegemitarbeitenden würdigen und ihre unentbehrliche Rolle im Gesundheitswesen hervorheben.